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Die Bildhauerin Harriet Ellen von Rathlef-Keilmann

Rolf Dupuis auf Spurensuche nach einem Jahrhundert-Schicksal

 

Von Joe F. Bodenstein

 

Eine intellektuelle und sprachbegabte Künstlerin: Harriet Ellen Siderowna von Rathlef-Keilmann. Fotografiert in Berlin um 1927/1928.

© EKS-Archiv/Marco-VR, Bonn

 

Berlin (bpb) Das Leben und Wirken der Bildhauerin Harriet Ellen Siderowna von Rathlef-Keilmann ist zugleich ein spannendes und dramatisches Schicksal einer Künstlerin im 20. Jahrhundert. Geboren wurde sie in Riga am 20. Dezember 1886 nach der Rechnung des Julianischen Kalenders (alter Stil). Nach der russischen Novemberrevolution von 1917 wurde der Gregorianische Kalender eingeführt und damit das Geburtsdatum auf den 3. Januar 1887 umgestellt (neuer Stil). Nach einem wechselvollen Leben starb die Künstlerin am 1. Mai 1933 in Berlin an den Folgen eines Blinddarmdurchbruchs.

Der Berliner Kunsthistoriker Robert Alexander René Dupuis betreibt seit langem Spurensuche, um Einzelheiten über diese hochbegabte und zugleich schöne Frau zusammenzutragen. Ziel ist eine Monographie über das Leben und Oeuvre der Bildhauerin, sagte Dupuis in einem Interview mit Prometheus. Die Recherchen sind dabei nicht einfach. Fast das Gesamtwerk der Künstlerin ist durch Kriege und politischen Wirren zerstört oder verschollen. Daher ist jede Information über die Bildhauerin willkommen an die E-Mail Rob.Dup.@gmx.de

Harriet Ellen Siderowna Keilmann wuchs in einer großbürgerlichen jüdischen Literatenfamilie in Livland auf, das bis 1897 eine russische Provinz des Zarenreiches war. Livland setzte sich aus den Landesteilen Kurland, Semgallen und Estland zusammen.

Von früher Jugend stand für sie eine künstlerische Betätigung fest. Bereits mit 21. Jahren nahm sie an Kunstausstellungen des Baltischen Künstlerbundes in Riga teil. 1913 beteiligte sie sich auf einer Ausstellung im Haus der Frau in Leipzig. Bei Ausbruch des ersten Weltkrieges wurde ihr Mann Harald von Rathlef als Leutnant der Reserve im kaiserlich-russischen Alexander-Husaren-Regiment nach Finnland abkommandiert. Sie blieb mit ihren Kindern beim jüngsten Bruder in Russland. Nach Jahren der Unsicherheit gelang Rathlef-Keilmann mit ihrer Familie am 28. Dezember 1918 die Flucht von Riga nach Berlin. So konnte sie den Folgen der bolschewistischen Revolution entkommen.

Bereits 1919 studierte sie in der Weimarer Hochschule für bildende Künste und war Schülerin der Bildhauerklasse von Prof. Richard Engelmann. 1922 ließ sie sich von ihrem Mann scheiden, da sie mit ihm keine Zukunft für ihre künstlerische Laufbahn sah. Das folgende Jahrzehnt bis zu ihrem Tod war angefüllt mit Aktivitäten, Schaffensdrang und sozialkulturellem Engagement.

Vorher hatte sie auf Empfehlung von Walter Gropius und des Meisterrates ein Stipendium für eine befristete Studienfreistelle. Da sich ihr Professor Engelmann bereits im Streit mit dem Bauhaus mit einige anderen alten Professoren von der ehemaligen Weimarer Kunstakademie zurückgezogen hatte, trat sie ebenfalls aus dem Bauhaus aus. Im Jahr 1923 ging sie nach Berlin-Charlottenburg. Dort bezog sie schließlich das Dachatelier V. des Gartenhauses in der Kantstrasse 77. Dieser Ort wurde Ausgangspunkt für ihr neues künstlerisches Wirken mit Ausstellungsbeteiligung in vielen Städten.

Künstlerforscher Dupuis ermittelte bei seiner Spurensicherung unter anderem dies: "Bekannt wurde Rathlef-Keilmann auch durch ihr selbstloses Engagement für die angebliche Zarentochter Anastasia Nikolajewska Romanowa, die sie von 1925 bis 1927 im Auftrag des interreligiösen philanthropischen Kreises um den katholischen Sozialtheologen Dr. Carl Sonnenschein betreute." Anastasia war in Berlin aufgetaucht und kämpfte schließlich bis zum Lebensende in den USA um ihre Anerkennung als Kaisertochter.

Die künstlerische Arbeit von Rathlef-Keilmann kam trotz ihres übrigen Engagements jedoch nicht zu kurz. Dies bezeugen die Namen, Orte und Institutionen, die in den Archiv-Unterlagen zusammengetragen wurden. So taucht der Name Harriet Ellen von Rathlef-Keilmann unter anderen in folgenden Bezügen auf: Alfred Flechtheim, Käthe Kollwitz, Ernst Barlach, Moissey Kogan, Domgalerie Köln, Folckwang-Museum Essen, Kaiser-Wilhelm-Museum Krefeld, Westfälischer Kunstverein, Große Berliner Kunstausstellung, Getty Research Institut Los Angeles, Liberaler Schutzverband Deutscher Künstler. Die Bildhauerin gehörte zu jenen Künstlern, die dem Nationalsozialismus und die Politik Adolf Hitlers vom Anfang an ablehnten.

 

Bildhauerin Rathlef-Keilmann in ihrem letzten Atelier in Berlin, An der Apostelkirche 14, im Jahr 1932.

© EKS-Archiv/Marco VR

 

Die letzte Sonderausstellung von Rathlef-Keilmann wurde im Januar 1933 in der Galerie Neumann-Nierendorf in Berlin veranstaltet. Im Frühjahr 1933 nahm sie noch mit Plastiken an der Ausstellung des Vereins der Berliner Künstlerinnen und als Jurymitglied an der Messeausstellung teil. Wegen der politischen Verhältnisse trat sie im April 1933 vom Vorstand des VdBK zurück. Sie wollte aus Deutschland emigrieren, um möglicher Verfolgung durch das NS-Regimes zu entgehen. Nach dem plötzlichen Tod an den Folgen eines Blinddarmdurchbruchs wurde das Atelier aufgelöst und die Arbeiten der Künstlerin zwangsversteigert. Teile ihrer expressionistischen und im Stil der Neuen Sachlichkeit gefertigten plastischen und graphischen Arbeiten konnten an Künstlerkollegen und Freunden verschenkt werden.

 

 

Copyright 2003 West-Art, Prometheus 88/2003

 

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PROMETHEUS, Internet Bulletin for Art, Politics and Science.

Nr. 88, Summer 2003