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Sacha Guitry, Maillol und Arno Breker

Erinnerung an Paris 1942 und die Occupation

 

Von Sacha Guitry

Titelseite der Publikation von Sacha Guitry über Maillol aus dem Jahr 1947

Copyright Guitry-Archive, Marco/Bonn

 

Paris (pdp) Der französische Schriftsteller, Schauspieler und Filmregisseur Sacha Guitry war einer er erfolgreichsten Künstler des 20. Jahrhunderts. Er wurde am 21. Februar 1885 in St. Petersburg geboren und starb am 24. Juli 1957 in Paris. Am Höhepunkt seines Rums traf er den Bildhauer Arno Breker. An die Eröffnung der Breker-Retrospektive in Paris 1942 erinnert er 1947 in einer Publikation „Quatre ans d'Occupations" (l'Élan, St. Quentin).

Sacha Guitry drehte während der deutschen Besetzung von Paris bis 1945 mehrere Filme, die nach Kriegsende weitgehend verschwiegen wurden. Bis zu seinem Tod arbeitete Guitry mit anderen berühmten Zeitgenossen zusammen, wie Jean Cocteau, Orson Welles und Edith Piaf. Er schrieb rund 130 erfolgreiche Lustspiele für das Boulevardtheater, Libretti für Operetten und drehte Filme nach eigenen Texten.

Der Text über Aristide Maillol, in dem er den Vorwurf der Collaboration mit NS-Deutschland entgegentritt, hat folgenden Wortlaut.

 

 

Aristide Maillol

Nach einem langen, ehrenwerten und arbeitsreichen Leben hat A. Maillol, den man zurecht als den größten Bildhauer der Welt ansehen konnte, zugestimmt, sein Refugium am Mittelmeer zu verlassen. Im April 1942 fährt er nach Paris, um das Werk eines Deutschen, Arno Breker, zu weihen.

Das ist eine Tatsache, Herr Maillol ist in der deutschen Botschaft empfangen worden, nachdem er die Ausstellung Arno Brekers in den Tuileries eröffnet hatte.

 

Demnach gibt es zwei Sichtweisen dieses Ereignisses:

1. Herr Maillol ist nach Paris gereist, Herr Maillol hat öffentlich das Können des Herrn Brekers gelobt.

2. Herr Maillol ist einem deutschen Befehl nachgekommen, er hat sich vor den Besetzern verneigte. Er hat sich der Mittäterschaft schuldig gemacht. Er muss gebrandmarkt werden, er ist der Nation nicht würdig.

 

Aber dieses Geschehen kann ganz anders dargestellt werden:

Herr Arno Breker, ein Deutscher Bildhauer, stellt offiziell seine Werke in Paris während der Besatzung aus.

Um sie für immer geweiht zu wissen, bittet er den Mann, den er „Ehrwürdiger Meister" nennt, den Ort, wo er sich zurückgezogen hat, zu verlassen und empfängt ihn in der Deutschen Botschaft gleich einem Herrscher. Er verneigt sich vor ihm. An diesem Tage sind gleich viele Franzosen wie Deutsche eingeladen worden.

 

In dieser Minute verneigt sich Deutschland vor dem Genie Frankreichs. In dieser Minute ist Frankreich n i c h t besiegt. Es kriecht nicht im geringsten vor dem Besatzer. Herr Maillol ist in diesem Augenblick das lebendige Symbol des unsterblichen Frankreichs.

Es beweist einmal mehr, dass, obwohl militärische besetzt, Paris seine Ausstrahlung nicht eingebüßt hat und weiterhin „Der Amboss des Ruhmes" darstellt, um Victor Hugo zu zitieren.

Tauschen wir die Rollen: nehmen wir an, dass dieses Ereignis heute im von uns besiegten Deutschland stattfände.

Nehmen wir an, dass ein junger Komponist seine Werke in Berlin vorspielt und nehmen wir an, er würde Richard Strauß bitten, das Orchester an diesem Tage zu dirigieren. Wen würden Sie kritisieren? Den Franzosen !

Sie würden meinen, es sei viel zu viel Ehre für Deutschland.

Nun, warum meinen Sie nicht, dass in der Person von Maillol Frankreich geehrt wurde? Warum geben Sie nicht zu, dass Herr Breker derjenige war, der sich in den Augen seiner Zeitgenossen kompromittierte ?

 

Außerdem, wenn Sie sehen, wie Maillol, Despiau, Dunoyer de Segonzac, Derain, Vlaminck und viele andere, wenn Sie sehen wie unsere größten Künstler sich dem Gegner gegenüber verhalten haben, warum fragen Sie sich nicht, ob diese Haltung vielleicht doch hilfreich gewesen ist? Wer weiß?

 

Warum soll sich ein „widerstandsgeiler Journalist" für einen besseren Franzosen halten als Dunoyer de Segonzac? Wieso traut sich ein mittelmäßiger, eingebildeter Bildhauer (beides gehört zusammen) zu behaupten, Maillol hätte sich geirrt, Maillol habe versagt ! Er könnte höchstens bescheiden zugeben, dass er mit Herrn Maillol nicht einer Meinung ist. Ich betonte „bescheiden", denn es ist kein Ruhmesblatt anderer Meinung zu sein als ein großer Mann.

Derjenige, der sagt: Ich kann nicht verstehen, dass Maillol so etwas getan hat. Dieser Mann spricht in der Tat die Wahrheit aus, denn er ist nicht fähig ihn zu verstehen.

Aber wäre er ein Genie, hätte das Schicksal ihn in die Lage Maillols versetzt, so würde er zweifellos das Verhalten eines Mannes verstehen, dessen Ruf so gefestigt war, dass er weder nach oben noch nach unten schwankte.

Jede Hommage an Herrn Maillol, aus welcher Ecke auch immer, ist auch eine Hommage an Frankreich. Der beste Beweis dafür ist, dass Frankreich tief betroffen ist, wenn Maillol beschimpft wird. Er ist so überragend, dass Steine wie Blumen auf uns zurückfallen.

 

* * *

 

Haben Sie Ihn jemals gesehen ? Sie nehmen aber für sich in Anspruch, über Ihn zu urteilen. Ach, man musste Ihn sehen! Man muss die Leute gesehen habe, um sie zu verstehen. Man muss sie beobachtet haben von der Seite, von vorne, ihren Blicken begegnet sein, wenn man im Bilde sein will.

Nun, schauen Sie ihn an, Maillol steht da und arbeitet. Sind Gesicht und Haltung die eines möglichen Verräters?

Verräter erkennt man gut, sie sind hässlich!

Schauen Sie sich ihre Augen, ihre Hände an. Stellen Sie sich einen Verräter, einen Ganoven oder einen Schwachsinnigen vor! Stellen Sie sich diejenigen vor, die Ihn beschimpfen. Danach schauen Sie Maillol an.

Alles, was er mit seinen Händen schafft, hat er auch mit seiner Seele geschaffen. Seine Seele steckt in seinem Werk und Sie sehen Genau, dass sie rein ist. Er, der die Haut seiner Statuen zum erzittern brachte, er soll nicht dünnhäutig gewesen sein!

 

* * *

 

Beim Empfang in der Botschaft hatte Herr Maillol mich gebeten, in seiner Nähe zu sein. Als Vorsitzender der „Union des Arts" war es meine Pflicht an dieser Stelle zu sein.

 

Ich sah ihn da stehen, so ehrwürdig, so distanziert, vom strahlenden Glanz des Ruhms umhüllt. Er nahm alle Ehrebietungen entgegen mit Würde. Und so dachte ich mir, dass er sie dem rechtmäßigen Adressaten weiterreichen würde: Frankreich.

Arno Breker, tief gebeugt, voller Stolz errötend, stellte Ihm Generäle vor, von denen er mit Respekt begrüßt wurde, ohne dass sie sich getraut hätten Ihm die Hand zu erreichen.

Er stellte Ihn mit folgenden Worten vor: Mein ehrwürdiger Meister, Herr Maillol ....

Ich fügte leise hinzu „Botschafter Frankreichs". Ich dachte dann an Goethe ...

 

(Ende des Textdauszuges)

 

Copyright 2003 West Art, Prometheus 86/2003

 

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Nr. 86, Spring 2003