Von Joe F. Bodenstein
Die Skulptur 'Im Geistgeschehen' von Renate Stendar-Feuerbaum
Hamburg/Germany - Die einzig noch in der Tradition von Ernst Barlach und Käthe Kollwitz arbeitende Künstlerin hat am 20. Juni 2000 ihren 80. Geburtstag: Renate Stendar-Feuerbaum. Mit dem Jubiläum am 20. Juni hat die "alte Dame der Skulptur" den Umzug von Zürich nach Hamburg abgeschlossen und sich an der Elbe niedergelassen. "Hier will ich mein Alterswerk fortführen", sagt die schlanke Frau mit den klaren Augen. Nach großformatigen Reliefs und Skulpturen kehrt sie in der künstlerischen Gestaltung nun zur kleinen Form zurück.
Nach der Beschäftigung mit dem Menschen in seinem Glauben und Hoffen sowie sakralen Themen interessiert sie das kleine Format. Dies ist auch handlicher, nachdem sie ihr großes Atelier in der Schweiz aufgegeben hat. Mit dem 80. Geburtstag und dem Ortswechsel von Zürich nach Hamburg beginnt ein neuer Lebensabschnitt.
Stendar-Feuerbaum ist eine Künstlerin der Stille. Ohne spektakulärem Aufsehen beschäftigt sie sich seit Jahrzehnten mit sozialkritischen Themen, wie einst Barlach und Kollwitz. In der Nazi-Zeit war sie zu jung, um zu ihren "entarteten" Vorbildern gezählt zu werden. Sie unterscheidet sich von ihnen auch durch die Vielfalt ihrer künstlerischen Gestaltungskraftskraft und ihre modernere Auffassung. Dies kommt vor allem in ihrer Malerie zum Ausdruck.
Die Angst vor Krieg und Elend, Flucht und Vertreibung sowie die Zerstörung durch die Atombombe haben viele ihre Werke bestimmt. Arbeiten mit wie bei Barlach vertraut klingenden Namen "Der Blinde", "Die Engel" oder "Der letzte Mensch" hat sie ergänzt mit apokalyptischen Themen. Doch trotz Mahnungen und Befürchtungen dominiert die Hoffnung im sakralen Schaffen. Dieses befindet sich in Kirchen und Sammlungen in europäischen Ländern sowie Übersee. Das US-Museum of European Art in Clarence im Staat New York gehört ebenfalls dazu.
Auch Poesie, Frohsinn und Mystik
Geboren am 20. Juni 1920 als Renate Feuerbaum in Dortmund beschäftigte sie sich bereits als Schülerin und im Gymnasium mit der Malerei und bildnerischen Arbeiten. Nach dem Studium an der Kunstakademie Düsseldorf wirkte sie von 1947 bis 1957 als Ausstatterin klassischer und moderner Inszenierung für Schauspiel und Oper an verschiedenen Bühnen. Ihre Heirat mit dem Schauspieler Wolfgang Stendar vom Schauspielhaus Zürich bestärkte sie in der künstlerischen Laufbahn. Die "liebe auf den Ersten Blick" zu dem Schauspieler hat sie bis heute nicht bereut. "Es ist eine sehr positive Ergänzung, wenn zwei Menschen auch durch Interessen für Kunst im weitesten Sinne verbunden sind", sagt sie aus Erfahrung.
Nach der Heirat wurde die Schweiz ständiger Aufenthaltsort der Künstlerin. 1966 wandte sie sich ganz der bildhauerischen Ausdrucksform zu. In Jahren beharrlicher, stiller Arbeit entstand ein breit gefächertes Werk voll Besinnlichkeit, Poesie und Frohsinn. Es fand in europäischen Ländern und in den USA in Ausstellungen sowie auf internationale öffentlichen Kunstpräsentationen positive Beachtung.
Dass es Frauen in der Kunst traditionell schwerer als Männer haben, war für Stendar-Feuerbaum kein Grund, die Bildhauerei aufzugeben. "Ich gestaltete, was ich gestalten musste", erinnert sich Stendar-Feuerbaum in einem Gespräch mit AP. "Kunst von Bestand hat sich nie nach dem Zeitgeist und nach dem Kommerz gerichtet". In dem Bildband "Bilder und Skulpturen" würdigt der Kunsthistoriker Roy Oppenheim, Renate Stendars Werke, "die Kunde geben von einer tiefen und aufschürfenden Auseinandersetzung mit der Unrast und Ruhelosigkeit aber auch mit der Gegensätzlichkeit der Zeit, die sich im unmittelbaren Nebeneinander von Aufbau und Zerstörung von Paradies und Hölle, von Leben und Tod erleben lässt". Beispiele seien die Skulpturen "Wohin", "Der Zauberlehrling" und "Der verratene Prometheus".