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Die NS-Vergangenheit der Marta Mierendorff

Als Studentin bei Arno Breker--Gestorben als Expertin für Juden im Exil

 

Von Ariel Cohen, Los Angeles

 

Zeugen einer glanzvollen Vergangenheit: Zufahrt zu Schloß Jäckelsbruch, dem Besitz von Arno Breker. Links eine von vielen Park-Skulptur aus Frankreich, die Breker 1938 gekauft hatte. Rechts Großaufnahme einer Steinvase des Hauptportals zum Ateliergelände. Das Schloß wurde von der Sowjetarmee 1945 zerstört, Vermögen und Grundstück im DDR-Staat enteignet, nach der Wiedervereinigung von der Bundesregierung in Bonn nicht mehr dem Eigentümer zurückgegeben. Heute lässt die Stadt Wriezen im Oderbruch den ihr durch umstrittene Gesetze zugefallenen Besitz ungenutz verkommen.

Foto Copyright 2002, Marco, Bonn

 

New York/Berlin (bpb) Es fällt ein neues Licht auf eine ungewöhnliche Frau: Kunstsoziologin Marta Mierendorff. Sie ist am 30. Mai 2002 in den USA im Alter von 91 Jahren gestorben. Wer wie Marta Mierendorff 1911 als Deutsche in Berlin geboren wurde, der hatte notgedrungen auch eine NS-Vergangenheit. Dieses Schicksal hat Mierendorff offensichtlich niemals für sich ganz aufgearbeitet. Sie lebten im Zwiespalt bis zum Tod. Sie starb als eine Expertin für Juden im US-Exil und hat sich auf diesem Gebiet große Verdienste erworben.

Ihre NS-Vergangenheit fällt in die letzten Jahre des Zweiten Weltkrieges in Deutschland. In Aufzeichnung schildert Mierendorff ihren Aufenthalt in den letzten Jahren in den staatlichen Bildhauer-Werkstätten Arno Breker in Wriezen im Oderbruch. Dort gab es große von Hitlers Architekt Albert Speer errichtete Ateliers, in denen der Skulpturenschmuck für die Neugestaltung Berlins nach den Vorstellungen der NS-Führung entstehen sollten. Mierendorff war dort das letzte Jahr vor Kriegsende tätig. Sie wurde nach Aufzeichnungen im Landesarchiv Berlin als „kaufmännische Angestellte" dienstverpflichtet. Wer als Frau mit 33 Jahren in ein solches geschütztes Arbeitsverhältnis kam und nicht Kriegsdienst leisten oder in Munitionsfabriken musste, galt in der NS-Zeit als privilegiert.

Ein gutes Jahr später nach Ende des Dritten Reiches schreibt Mierendorff im November 1946 im „Telegraf" Berlin, sie habe in den Breker-Werken ihren „Studentendienst" abgeleistet. Eine solche Chance schloss bekanntlich ein von amerikanischen, englischen und russischen Fliegerangriffen geschütztes Wohnfeld ein sowie eine gute Versorgung mit Lebensmittel. Arno Breker konnte sie für seine Mitarbeiter beschaffen. Nach historischer Bewertung war dies damals „kein Job für Widerstandskämpfer".

Offensichtlich als Folge der dramatischen Kriegserlebnisse mit dem Vorstoß der Sowjet-Armee und des Niedergangs wurde Mierendorff eine subjektive Chronistin und Kritikerin ihrer selbst erlebten NS-Zeit. Ihre einstigen Gönner und Helfer einschließlich Minister Albert Speer nannte Mierendorff in der neuen demokratischen Gesellschaft „Volksschädlinge". Ihre Aufzeichnung zeigen sie zerrissen und aufgewühlt. Einerseits schilderte sie beispielsweise Arno Breker als freundlichen, hilfreichen Menschen: „Brekers Name ist von den oberen Zehntausend missbraucht worden, die sich in Wriezen ein Paradies aus Staatsgeldern schufen". Dann übte sie in anderen Erklärungen unerbittliche Kritik an Breker, deren Gast sie bei Veranstaltungen für die Gesellschafts- und Kunstelite war. Mierendorff fand das Arbeitsverbot für Breker nach 1945 in der US-Besatzungszone in Bayern als „recht und billig". Gleichzeitig forderte sie: „Trotzdem muss man ihm Gerechtigkeit wiederfahren lassen und darf ihn nicht das zur Last legen, was gefährliche Verbrecher ohne seinen Willen getan haben."

Marta Mierendorff hat mit ihrer Art in der neuen deutschen und der amerikanischen Gesellschaft überlebt. Sie ließ sich 1966 in Los Angeles nieder und begann Forschungsarbeit über deutsche Juden im Exil. So wurde sie zu einer Pionierin in diesem Bereich. Ihre Treue zur jüdischen Gesellschaft und ihr historisches Wissen hat ihr letztlich im Berufsleben die Professur an der University of Southern California eingebracht. Im Alter von über 70 Jahren wohnte sie am Westbourne Drive in West Hollywood. In Kalifornien ist sie auch gestorben. Ihre Freunde wollen sie nur in guter Erinnerung behalten, mit ihren Qualitäten und ihren Widersprüchen.

 

Copyright 2002 West-Art, Prometheus 85/2002

 

 

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PROMETHEUS, Internet Bulletin for Art, Politics and Science.

Nr. 85, Winter 2002