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Ludwig Gies: Vom Reichsadler zum Bundesadler im Reichstag

Das Hoheitszeichen des Bundestages hat eine interessante Geschichte--Die NS-Zeit spielt keine Rolle mehr

 

 

 

Der Adler des Deutschen Bundestages in Berlin. Hauptentwurf von Prof. Ludwig Gies.

Foto: Deutscher Bundestag. " L. Gies

 

Berlin (bpb) Wenn Bundeskanzler Gerhard Schröder heute im Jahr 2002 im Reichstagsgebäude Berlin seine Regierungserklärungen im Bundestag abgibt, dann stört sich niemand mehr im Hohen Haus an dem riesigen Adler von Professor Ludwig Gies (1887-1966). Dabei hat das Hoheitszeichen eine interessante Geschichte: Professor Gies hatte bereits im Dritten Reich Adler in öffentliche Gebäude gebracht.

Das heute im demokratischen Deutschland genutzte Adler-Wappentier des Parlaments war zur Zeit Konrad Adenauers in Bonn ohne Volksbefragung entschieden worden. Die Bevölkerung hatte das Hoheitssymbol schon bald als "Fette Henne" bezeichnet. Es glich nämlich nicht dem Adler im klassischen Sinn, wie er etwa als Hoheitszeichen der USA verwendet wird.

Das Kuriosum an der Geschichte ist, dass der in der NS-Zeit wohl angesehene Professor Gies sich auch 1937 darum bemühte, eigene Arbeiten in die neue Reichskanzlei von Hitlers Architekt Albert Speer unter zu bringen. "Das war nichts Ungewöhnliches, denn alle gegenständlich arbeitenden Künstler waren aufgerufen, sich bei der Ausgestaltung von offiziellen Gebäuden zu beteiligen", sagte Albert Speer 1975 auf entsprechende Fragen. "Die Adler-Entwürfe von Gies schienen uns aber nicht für eine zeitgemäße plastische Umsetzung in ein Relief oder Skulptur geeignet. Wir kauften jedoch einige Zeichnungen von Gies für die Innenausstattung", erinnerte sich Speer. Adolf Hitler habe „die klare Linienführung und die für ihn neuartige Technik bei den Gipsschnitten von Gies gut gefallen". Eine Adler-Darstellung von Gies hing schon in der Alten Reichskanzlei. Er wurde im Rahmen der architektonischen Umgestaltung durch eine kraftvollere Adler-Darstellung ersetzt.

 

Adler blickt nach Osten und nach Westen

 

Hoheitszeichen Adler, Wandbild im Rathaus der Stadt Kornwestheim, von Prof. Ludwig Gies. Abbildung aus „Wasmuths Monatshefte für Baukunst und Städtebau" , 21. Jahrgang, 1937, Seite 286.

 

Dies von Hitler gelobte Klarheit der Form kommt in einem Wandbild für das Rathaus in Kornwestheim zum tragen. Eine Abbildung von 1937 zeigt das Hoheitszeichen mit dem nach Osten gewandten Kopf des Adlers. Gies hat dem etwa 6 Meter breitem Adler-Bild das Hakenkreuz der NSDAP sowie den Eichenkranz hinzugefügt. Der Kranz war ein mehrfach von Gies verwendetes gestalterisches Element. Er hatte auch den Eichenkranz mit Silber- und Gold-Blättern für die Gedenkstätte „Alte Wache" unter den Linden geschaffen. Dieser wertvolle Kranz verschwand in den Kriegswirren. Als er später als Fragment auftauchte, erwarb ihn der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge.

Das 1953 für den Deutschen Bundestag gestaltete Hoheitszeichen wurde von Gies--im Gegensatz zur NS-Zeit--mit Blick gegen Westen dargestellt. Bei der Neugestaltung des Reichstagsgebäudes in Berlin mit dem Plenarsaal für den Bundestag 1999 gab es internen Streit über den Parlaments-Adler. Es gab Befürworter des „Original-Adlers" aus Bonn ebenso wie Stimmen für einen abgeänderten Entwurf, wie ihn der Brite Norman Foster als Architekt des Reichstagsumbaus gefordert hatte. In dem Tauziehen stimmten schließlich die Erben von Gies dem Kompromiss zu, die Bonner Version des Wappenadlers für den Foster-Entwurf zu nehmen, bei vollen Künstlerrechten der Gies-Erben. Diese Einigung kam rechtzeitig, noch ehe die öffentliche Forderung des führenden Tierbildhauers Kurt Arentz (Köln) Politiker und Öffentlichkeit mobilisieren konnte: Arentz verlangte einen demokratischen Kunstwettbewerb, um ein neues Hoheitszeichen des Deutschen Bundestages gestalten zu lassen.

Als Hitler 1933 an die Macht kam, war Ludwig Gies mit seinen 45 Jahren ein etablierter Künstler. Er liebte die großen Formate. Ein für den Lübecker Dom geschaffenes Holzkruzifix war in der Ausstellung „Entartete Kunst" der Nazis gezeigt worden, während Gies zur gleichen Zeit auch öffentliche Aufträge erhielt. Diese Diffamierung eines seiner Werke erwies sich jedoch bis heute als positive. Die Freunde von Gies zählen in nun zu den „entarteten Künstlern", was nach 1945 eine Aufwertung jedes Kunstschaffenden war. Kritiker wiederum reihen diese Definition in die Gruppe der Legendenbildung ein.

Wie Gies wurden noch viele andere Künstler von lokalen NS-Größen verdächtigt. So hatte auch der spätere Bildhauer-Star Arno Breker wegen seinen engen Beziehungen zu Max Liebermann und seinem jüdischen Kunsthändler Alfred Flechtheim Schwierigkeiten, in Berlin Fuß zu fassen. Dem Österreicher Josef Thorak wiederum wollten Berliner NS-Größen die Teilnahme am Kunstwettbewerb zu den Olympischen Spielen 1936 verweigern. Gerhard Marcks hatte ebenfalls Probleme in der NS-Zeit. Georg Kolbe als der Altmeister der deutschen Plastik hatte im Dritten Reich reichlich Staatsaufträge. Eine karge Zeit begann für den alten Meister lediglich nach 1945.

 

Copyright: Prometheus 83/2002

 

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Nr. 83, Summer 2002