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Dagmar Wittmers Film und die Kunst der Verpackung

Breker-Dokument mit spannender Kameraführung und flottem Schnitt

 

Von Thomas Blumann

 

Bundespräsident Walter Scheel (links) besucht mit Arno Breker (rechts) eine Breker-Ausstellung in Köln. Brekers Wirken ab 1948 in Frankreich, Afrika und Deutschland sowie seine internationale Bedeutung kommt im Film von Dagmar Wittmers zu kurz.

Foto: Pressebild/NRW

 

Berlin/Stuttgart: Der Dokumentarfilm „Arno Breker &endash; Deutsche Lebensläufe" ist gleich zu Beginn spannend wie ein Krimi: Geheimnisvolle Taucher holen aus einem See ungewöhnliche Figuren: Zeugnisse der Vergangenheit und eines Untergangs von 1945. Hermann Göring hatte Kunstschätze beim Vormarsch der Russen in einen See versenken lassen. Kurz vor dem Ende der DDR wurden die Bronzen gehoben.

Dieses verschollenen Aufnahmen hatte die Berliner Regisseuren aufgespürt. Sie hat die Bilder zum Auftakt einer Film-Dokumentation des Saarländischen Rundfunks verwendet, die einen umstrittenen, jedoch richtungsweisenden Bildhauer des 20. Jahrhunderts unter die Lupe nimmt: Arno Breker. 60 Minuten spannende TV ist ein Beispiel dafür, wie man Geschichte und Kunst wirkungsvoll „verpacken" und aufbereiten kann.

Dagmar Wittmers hat durch umfassende Recherche Vergessenes zu Tage gebracht. Die eigenwillige Regisseurin, die ihre Ausbildung in der DDR absolvierte, mag unter Zeitdruck und Budgetbegrenzung bei diesem Film gestanden haben. Das Ergebnis ist umso beachtenswerter. Es verdient nach Meinung von Historikern und Sachkennern einen Preis.

Wittmers hielt sich an historischen Fakten, dass Breker nicht nur der „Lieblingsbildhauer" Adolf Hitlers war, sondern vor der NS-Zeit einen hohen Rang in der Künstlerelite einnahm. Brekers Engagement während der NS-Diktatur für Juden in Deutschland und Frankreich, für bedrohte wie den Verleger Peter Suhrkamp, für Künstler wie Pablo Picasso erfolgte aus Menschlichkeit und Freundschaft.

 

"Nazi-TV" ZDF in Deutschland ?

Es ist mutig von Regisseurin Wittmers, 57 Jahre nach Ende der NS-Zeit und elf Jahre nach dem Tod Arno Brekers (1900-1991) mehr Objektivität zu wagen. Damit gewinnt das Dokument an Wert. Es unterscheidet sich auch von kostspieligen TV-Produktionen wie etwa des ZDF, in denen die Nazi-Zeit sozusagen mit Abscheu und Empörung in der kapitalistischen Gesellschaft immer wieder vermarktet wird. Der ungebremst wirkende Chef der ZDF-Redaktion Zeitgeschichte, Guido Knopp, kündigte für 2003 sogar einen Kinofilm über den Kessel von Stalingrad aus Archiv-Material an, das im ZDF gezeigt und mit Billigung der Intendanz medial wiedergekaut werden soll. So lebt das "Tausendjährige Reich" des Diktators für neue Generationen fort.

Wenn Deutschlands bekanntester TV-Talk-Master Harald Schmidt in seiner Show über ZDF-Dokumentationen jüngst scherzte, auch er mache „Nazi-TV" an, dann mag er Grund für seine ironische Kritik haben.

Ein Manko des Wittmers-Films ist, dass Zeitzeugen zu wenig zu Wort kamen. So wurden dem Kunsthistoriker Dominique Egret in Paris und dem jüdischen Bildhauer Ernst Fuchs (Wien) das Wort beschnitten, der Bildhauer Kurt Arentz noch kürzer abgefertigt. Die jüdische Zeitzeugin Dina Vierny, die als Maillols Lieblingsmodell Breker die Freilassung aus dem Gefängnis währen der NS-Besetzung in Paris verdankte, fehlte ganz.

Mehr Raum gab Wittmers der Berliner Kunsthistorikerin Dr. Josephine Gabler, die sich als Breker-Expertin ausgibt, ohne Breker gekannt zu haben. Mit ihren Kolleginnen Dr. Ursel Berger vom Kolbe-Museum und Kuratorin Dr. Penelope Curtis vom Henry-Moore-Institut publizierte sie im Katalog für die Ausstellung „Taking Positions" umstrittene Texte.

Positiv ist: Der Film „Arno Breker---Deutsche Lebensläufe" erlaubt dem Betrachter, die Bilder auf sich wirken zu lassen.

Gesendet wurde der Film bisher von SWF, ORB, SFB1. Der Sender 3Sat will die Dokumentation 2003 bringen. Die TV-Seher des Bayerische Rundfunk, WDR und NDR haben bisher keine Chance, den Film in ihrer Region zu sehen. Logisch wäre, die Breker-Dokumentation in der ARD zu senden und im deutsch-französischen Kulturkanal ARTE. Immerhin ist Breker französischer Herkunft und seit Jugend wie Jean Cocteau bekennender Europäer.

 

© 2002 West-Art, PROMETHEUS 85/2002

 

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Nr. 85, Winter 2002