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Berthold Beitz ging 2013 in die "Happy hunting ground"

Tod mit 99 Jahren nach einer Karriere von der NS-Zeit bis zum „allerletzten Krupp"

Von B.John Zavrel

 

Berthold Beitz (geboren am 26. September 1913 in Zemmin in Pommern; gestorben am 30. Juli 2013 in Kampen auf der Nordsee-Insel Sylt.) Die Aufnahme zeigt Beitz in seiner Machtzentrale, der Villa Hügel von Krupp in Essen.

Bild: Foto-press

 

Berlin/Essen (mea) Berthold Beitz starb am 30. Juli 2013 in Deutschland. Er war ein Spitzen- Unternehmer, der seine Karriere im Alter von mit 24 Jahren im „Dritten Reich" von Adolf Hitler begann. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er Generalbevollmächtigter von Alfried Krupp von Bohlen und Halbach, der vor dem Kriegsverbrecher-Gericht der Allliierten in Nürnberg als Unterstützer des NS-Regimes verurteilt wurde. Nach seiner Haft- Entlassung entwickelte sich zwischen Krupp und Beitz ein enges Vertrauens-Verhältnis. Der Stahl-Baron Krupp, dessen Imperium seit Generationen vom deutschen Kaiser bis Adolf Hitler die „Waffenschmiede der Nation" war, setzte voll auf Berthold Beitz und ernannte ihn 1953 lebenslänglich zum Generalbevollmächtigten.

So wurde dieser nach dem Tod des Alfried Krupp zu einem einflussreichen Industriellen auch in der Montan-Industrie des Ruhrgebietes. Zur Machtsicherung hatte Beitz noch das Problem der Erbschaft im Hause Krupp. zu lösen. Es gelang ihm, den einzigen Krupp-Sohn Arndt von Bohlen und Halbach zum Verzicht auf das Erbe eines Milliardenvermögens zu bewegen. Der Sensible, weiche Arndt von Bohlen und Halbach, der ein locker-heiteres Leben liebte, wurde nach Ansicht von Kritikern „mit einer Million D-Mark als Apanage je Jahr abgespeist." Damit war der Weg für Beitz frei, bis zu seinem Tod am 30. Juli 2013, der absolute Herr auf dem Sitz der Krupp-Dynastie „Villa Hügel" in Essen zu sein. So wird Beitz nach seinem Tod „der allerletzte Krupp" genannt.

Berthold Beitz regierte nach Angaben von Insidern den Krupp-Konzern 50 Jahre „mit eiserner Faust". Diese Fähigkeit hatte er sich bereits im NS-Deutschland erworben, als er im Mai 1938 im Alter von 25 Jahren nach Hamburg zur Rhenania-Ossag ging, einem Tochterunternehmen der Royal Dutch Shell. Zugleich arbeitete er zielstrebig an seiner Karriere: Zwischen 1937 und 1939 nahm Beitz freiwillig an mehreren Wehrübungen der 1935 aufgestellten Deutschen Wehrmacht Adolf Hitlers teil, obwohl er damals nicht wehrpflichtig war. Bereits im Frühjahr 1939 stand er im Rang eines Feldwebels der Reserve und hatte sich um einen Offiziersrang beworben.

 

 

Ein erfolgreiches Ehepaar: Berthold Beitz und seine um sieben Jahre jüngere Frau Else, die er 1939 in Hamburg heiratete. Sie standen vorbildlich „in Treue fest" zusammen vom Einsatz bei der Ölgewinnung in Polen bis zum Tod des Ehemannes 1913, der als Generalbevollmächtigter von Krupp eine einzigartige Stellung in der Wirtschaft Europas hatte.

Foto: Archive

 

NS-Zeit und Karriere

Von da an begann für Beitz nach damaligen Vorstellungen eine Bilderbuch-Karriere. Nach biographischen Angaben wechselte Beitz im April 1939 als Angestellter in die Revisionsabteilung der Rhenania-Ossag-Konzernzentrale und lernte dort seine Frau Else Hocheim kennen, die er im gleichen Jahr heiratete. Die um sieben Jahre jüngere Frau hatte treu und tapfer zu ihm gestanden von der Zeit als Sekretärin im Öl-Geschäft im von Deutschland besetzten Polen bis zum Zenit des gesellschaftlichen und finanziellen Höhepunktes als „First Lady" nach dem Untergang der Krupp-Dynastie.

Bei Kriegsbeginn schlugen seine Vorgesetzten Berthold Beitz dem Oberkommando des Heeres als Vertreter der Rhenania-Ossag für den „Einsatz in den ostgalizischen Erdölfeldern" vor, die im neu gebildeten Generalgouvernement mit der Erschließung und Ausbeutung der dortigen Ölvorkommen beauftragt war. Beitz ging nach Beendigung des für Hitler erfolgreichen Polenfeldzuges in die südpolnische Kleinstadt Jas?o. Dort wurde er als „unabkömmlich" von der Wehrmacht freigestellt. Er avancierte zu einem Fachmann für den kaufmännischen Bereich der für Deutschland „kriegswichtigen Erdölförderung".

Im Frühjahr 1940 erfolgte die Versetzung in das benachbarte Krosno. Als leitender Angestellter war Beitz dort für die Beskiden-Erdöl-Gewinnungs-GmbH tätig, ebenfalls ein Tochterunternehmen der Rhenania-Ossag. Laut Biograhie wurde Beitz nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion im Juli 1941 zum kaufmännischen Leiter der Karpathen-Öl AG in Boryslaw ernannt. Diese beuteten den ebenfalls besetzten sowjetischen Teil des Erdölreviers aus.

 

Verlass und Treue gefordert

In dieser damals als „kriegswichtige Funktion" bezeichneten Position war „Verlass und Treue" gefordert und für NS-Gegner kein Platz. Beitz hatte die große Verantwortung, dass nach den Vorstellungen der Reichsregierung „alles erfolgreich verläuft".

Ein Problem in kriegerischer Zeit stellte die Beschaffung von Arbeitskräften dar. Es gab „zu wenig geeignetes Menschenmaterial", wie man seinerzeit sagte. Beitz unternahm daher notgedrungen, was in fast allen kriegswichtigen Produktionsstätten getan wurde: er rekrutierte jüdische Bewohner für die Arbeit. Sie konnten als so genannte Fremdarbeiter (heute als „Zwangsarbeiter" bezeichnet) auf den Ölfeldern arbeiten und wurden in eigens errichteten Lagern der Ölgesellschaft auch ausreichend mit Lebensmittel versorgt.

Auf diese Weise konnten nach eigenen Angaben von Beitz über 100 Juden vor den Konzentrationslagern und einer Vernichtung gerettet werden. Nach unterschiedlichen Medienberichten sollen es 150 Juden gewesen sein.

Dieser humanitäre Einsatz, der eigentlich aus Eigennutz für die Deutsche „kriegswichtige Erdölförderung" erfolgte, wirkte sich für Beitz nach Kriegsende 1945 positiv aus: über seinen Tod hinaus wird er nun als „Retter von Juden" gewürdigt. Er und seine Frau waren unter anderem nach Israel eingeladen, um als „Gerechter unter den Völkern" offiziell geehrte zu werden. Als einer der wenigen Deutschen wird Beitz in Yad Vashem in der "Allee der Gerechten" gewürdigt.

 

Nicht nur Lob für den „allerletzten Krupp"

Ein Mensch mit einer Biographie, Leistung und einem so langen Leben kann nicht nur Lob erwarten.

Als Eigenschaften und deutsche Tugenden hat man Beitz unter anderem zugeordnet: Einsatzbereitschaft, Ausdauer, Durchsetzungsvermögen, Treue zum Freund, Durchhaltevermögen.

Kritisiert wurde Beitz wegen seiner nachgesagten Sturheit, trickreichen Verhandlungsmethoden", geschäftlichen Rücksichtsosigkeit. Von den Arbeitern bei Krupp wurde „der feine, unnahbare Herr in der Chefetage" zeitweise regelrecht gehasst. Die Arbeiterschaft ließ ihre Wut in Streiks aus.

Konrad Adenauer, dem ersten Kanzler der Bundesrepublik Deutschland, hatte ein distanziertes Verhältnis zu Berthold Beitz. Dessen Initiativen an Ostkontakten an der Bundesregierung vorbei haben dem „Alten" gar nicht gefallen. Dies galt ebenfalls für die Bereitschaft, grundsätzlich auch Witschaftsgeschäfte mit dem politischen Gegner und damals auch mit Kommunisten zu machen. Der Zugang zur Bundesregierung hat sich für Beitz in der Zeit des SPD-Bundeskanzlers Willy Brandt gewandelt. Er zählte Beitz zu seinen Beratern.

 

Reaktionen auf den Tod von Berthold Beitz

Berthold Beitz ist zwei Monate vor seinem 100. Geburtstag „in die ewigen Jagdgründe" eingegangen", wie es im deutschen Volksmund leger heißt. Der englische Ausdruck „(to go to the) happy hunting ground" beruht auf den Jenseitsvorstellungen einiger nordamerikanischer Indianerstämme, die sich das Leben nach dem Tod als Aufenthalt in einem Jagdrevier vorstellten.

Ein Vergleich mit dem vielfältigen und auch widersprüchlichen Leben von Berthold Beitz sei erlaubt. Beitz hat zeitlebens nach Erfolgen „gejagt", an seinem eigenen Denkmal gebauten und war ein mehr als erfolgreicher Jäger im Bereich von Wirtschaft, Handel und Finanzen.

Das amtliche Deutschland hat mit Lobeshymnen auf den Tod von Beitz reagiert. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundespräsident Joachim Gauck (ehemals DDR) haben pflichtgemäß wohlformulierte Kondolenzen verfassen lassen. Organisationen, staatliche Stellen, Universitäten und Institutionen, die Beitz über Jahre teils mit Millionenbeträgen aus der Krupp-Stiftung bedachte, zeigten sich sehr betrübt über den Verlust des Mäzens. Sie hatten sich jedoch zu Lebzeiten gegenüber dem Wohltäter mit dem Geld von Krupp nach ihrer Art dankbar gezeigt. So hat Beitz insgesamt über 100 Ehrungen, Staatsorden, Titel und Urkunden als Dr., Professor sowie Ehrenmitgliedschaften erhalten. Sie sind in Archiven gelistet und sollen dazu beitragen, den Verstorbenen als „großen Mann" in Erinnerung zu behalten.

 

 

 

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