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In Germany: Gedenken an die Pogromnacht von 1938

Staatsakt in Berlin zum 70. Jahrestag der Reichskristallnacht

 

Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Gedenken in der historischen Synagoge Rykestrasse Berlin. Der Bau von 1904 gilt mit seinem Fassungsvermögen als das derzeit größte jüdische Gotteshaus in Deutschland. Das in Ostberlin liegende Gebäude wurde nach der Wende umfangreich renoviert.

Foto: RO/bpb

 

 

Berlin/Nörvenich (bpb) Die Zentrale Gedenkfeier zur Erinnerung an die Ereignisse der Pogromnacht von 1938 fand am 9. November in Berlin statt. Die Bundesregierung und der Zentralrat der Juden in Deutschland haben zu diesem Staatsakt gemeinsam in die Synagoge Rykestrasse in Berlin eingeladen. Bundeskanzlerin Angela Merkel Mahnte "Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit dürfen nie wieder eine Chance haben".

Die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch (München), erinnerte: In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 setzten Angehörige der SA und der SS überall im Land Synagogen in Brand und zerstörten Geschäfte und Wohnungen jüdischer Bürger. Rund 1.400 Synagogen brannten in ganz Deutschland. Zahlreiche Menschen wurden ermordet. Die Zentralratsvorsitzende appellierte vor allem auch an die junge Generation, die Lehren aus dieser grausamen Geschichte zu ziehen und sich jederzeit für die Menschenrechte einzusetzen.

Menschenrechte seien unteilbar und bildeten das Fundament jeder freiheitlichen Grundordnung, betonte Merkel in ihrer Rede in der Synagoge. "Wer nur kleinste Ausnahmen zuläßt, zerstört das Ganze. Der Kern von Zivilisation kann verloren gehen", warnte die Kanzlerin. Die Achtung der Menschenwürde sei alles andere als selbstverständlich, sondern ein "Schatz" der verteidigt werden müsse. Nicht zuletzt daran erweise sich auch die Handlungsfähigkeit von Politik. Insgesamt bedürfe es der "Fähigkeit, die Welt auch mit den Augen des Anderen zu sehen" und „den Wert von Vielfältigkeit und Toleranz" zu erkennen.

 

Verpflichtung gegenüber Israel

Aber Toleranz sei immer auch wertgebunden, unterstrich die Kanzlerin. Die Grenze der Toleranz werde dort überschritten, wo Hass gepredigt, Vorurteile geschürt sowie Gewalt und Terrorismus akzeptiert würden. Die Bedrohung des Staates Israels durch die Hamas, die Hisbollah und den Iran sei nicht hinzunehmen. "Die Sicherheit Israels zu schützen ist Teil der Staatsraison Deutschlands", stellte Merkel fest.

Die Ereignisse von 1938 stünden stellvertretend für das "dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte". Der "Zivilisationsbruch der Shoah" sei nicht wieder gutzumachen, so sehr dies Deutschland auch wünsche, erklärte Merkel.

An der Feierstunde in der historischen Synagoge nahmen Vertreter der Bundesregierung, der im Bundestag vertretenen Parteien und Repräsentanten von Arbeitgebern und Arbeitnehmern teil. Die Europäische Kultur Stiftung vertrat Vorstandssprecher Joe F. Bodenstein. In den vorderen Bänken sah man u.a. auch den SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering, Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), den DGB-Vorsitzenden Michael Sommer sowie die Bundestagsvizepräsidenten Gerda Hasselfeldt (CSU) und die Vorsitzende der Bundestagsfraktion der Grünen/Bündnis 90, Renate Künast.

Am Gedenktag fanden in vielen Städten und Orten Gedenken an die Pogromnacht statt. Die Europäische Kulturstiftung hat im Museum Europäische Kunst Schloss Nörvenich (Kreis Düren) die Flaggen Israels und Deutschland zum Gedenken an die Opfer auf Halbmast gesetzt.

Bei der zentralen Gedenkveranstaltung in der Synagoge Rykestrasse hatte Kantor Isaac Sheffer zu Beginn das „W'hogen baadenu" gesungen. Abschließend trug er das ergreifende Klagelied „El male rachamim" vor. Dabei wurden die Namen aller Vernichtungsstätten der NS-Zeit wie Auschwitz und Bergen Belsen genannt.

(10.11.2008)

 

 

© PROMETHEUS 137/2008

PROMETHEUS, Internet Bulletin - News, Politics, Art and Science. Nr. 137, November 2008