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Weihnachten: Linden-Lighting für Stephan Vogel in Berlin

Lichterglanz am Boulevard „Unter den Linden" erinnert an einen „großen Beweger"

 

Von B. John Zavrel

 

Der Eventmanager und Medienexperte Stephan Vogel war der „Erfinder" der Weihnachts-Illumination „Linden-Lighting" in Berlin. Er hat über viele Jahre hinweg vor allem Festlichkeiten, Bürgerveranstaltungen und Gedenkstunden für die Staats- und Regierungsspitze, den Deutschen Bundestag, die großen Parteien sowie die europäische Wirtschaft gestaltet.

Foto: Marco-VG, Bonn

 

Berlin/New York (mea) Als 2011 auf dem Boulevard „Unter den Linden" in Berlin die Weihnachts-Beleuchtung die historische Straße in festliches Licht tauchte, da war dies zugleich eine Hommage an den Erfinder" dieser Idee: Stephan Vogel. Symbolisch gesehen war dies jedoch auch ein Signal des Abschieds des Medienexperten und Journalisten. Vogel war nämlich wenige Monate vorher in Berlin mit 58 Jahren einem Herzinfarkt erlegen.

Die gute Idee, Prachtstraßen der Welt im christlichen Abendland zu illuminieren, haben natürlich schon vorher viele gehabt. Ausschlaggeben war jedoch, dass Stephan Vogel aus eigener Kraft die Initiative ergriff, nach der Deutschen Einheit die in Ostberlin gelegene Straße mit Leben zu erfüllen. Schon bald nach der Jahrtausendwende begann Vogel mit der Planung. Bei der Realisation wirkte die Hans Boehlke Elektroinstallationen GmbH (Berlin) mit. Auch Firmenchef Boehlke wurde vom Vogel Projekt „Linden-Lighting" seiner erfolgreichen Mediaevent GmbH überzeugt: Wir schaffen es!

Der Autor dieses Gedenk-Beitrags für „Prometheus" hat Vogels Aktion „Boulevard Metropolis" vom Anfang an unterstützt. Ein Sinn war, damit auch die Verbindung Berlin-New York zu bekräftigen und damit die transatlantischen Beziehungen zu stärken. Es ist glücklicherweise heute noch bekannt, was gerade die USA seit Bundeskanzler Konrad Adenauer im „Kalten Krieg" während der sowjetischen Blockade für die Menschen in der ehemaligen Reichshauptstadt getan haben. Unvergessen ist auch das legendäre Zitat von US-Präsident John F. Kennedy, „Ich bin ein Berliner." Und zu einem historischen Höhepunkt führte der große US-Präsident Ronald Reagan die Friedensoffensive, als er am Brandenburger Tor über die kommunistische Sperrmauer hinweg lautstark an die damaligen Machthaber in Moskau appellierte, die Mauer niederzureißen und Freiheit den Menschen zu geben.

All diese Persönlichkeiten (und noch viel mehr) hatte Stephan Vogel gekannt.

 

Consul Zavrel: „I remember it well, when Mr. Vogel first suggested the Linden-Lighting Project. Indeed: Stephan Vogel had a good heart and a smart head for such big ideas. And he had the ability to make them happen."

Ein großes Glück im Leben von Stephan Vogel war seine Ehefrau Jutta Vogel. Sie wirkt weiterhin als Journalisten, Autorin und Event-Managerin. Darüber hinaus wird sie als hochbegabte und stilvolle „Schreiberin", geschätzt, die komplizierteste politische und gesellschaftliche Vorgänge in einer klaren Sprache verständlich machen kann.

 

 

Knut C. Teske: Als Gaius Julius Caesar gefragt wurde…

Berlin (bpb) Bei der Trauerfeier für Stephan Vogel am 25. August 2011 in der katholischen Kirche in Röttgen bei Bonn, hielt der Publizist Knut Teske eine Gedenkrede. Als Zeitzeuge hatte er den Kollegen Jahrzehnte lang gekannt. Nach dem Umzug der deutschen Regierung von Bonn nach Berlin haben beide Journalisten sich für den demokratischen gesellschaftlichen Aufbau engagiert.

 

 

Die Rede von Knut C. Teske hat folgenden Wortlaut:

 

"Liebe Jutta, liebe Fee, liebe Pia, David, Floh. Verehrte Trauergemeinde!

Als Gaius Julius Caesar gefragt wurde wie er sterben möchte, antwortete er: „Plötzlich"!

„Plötzlich + unerwartet" Diese oft gelesene Phrase erhält eine ganz andere Bedeutung bei der Nähe dieses Menschen, der uns jetzt verlassen hat.

Das „Plötzlich" ist furchtbar, rätselhaft, nicht nachvollziehbar, unbegreiflich. Die Deutsche Sprache endet in ihrem grausamen Variantenreichtum auf diesem Gebiet nicht. Und doch, Jutta. Und doch Pia und Fee: Da der Tod nicht mit sich argumentieren lässt, ist es so gut für Stephan. So schlecht es für uns ist. Uns erscheint Stephans Schicksal ungerecht. Der Tod kam ja nicht am Ende eines vollendeten Lebens als Freund. Er kam als Abbruchunternehmer. Da fällt das Begreifen schwer. Wohl dem, der glaubt. Stephan, wiewohl auch schwankend, gehörte dazu, letztlich glaubte auch er.

Wir, die wir zurückgelassen wurden, besonders Ihr, seine Familie, die ihm alles bedeutet hat. Wirklich im wahrsten Sinne des Wortes alles. WIR alle haben Gott sei Dank aber auch etwas, das wir in uns tragen: die Erinnerung an ihn, an Stephan.

Dem Dichter Jean Paul ist daraus ein unsterbliches Zitat gelungen: „Die Erinnerung", so Paul, „ist das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können."

„Erinnerungen", Freunde, lässt jemand wie Stephan in Hülle und Hülle zurück. Die Breite seiner Interessen ist legendär: sein Witz war hell wie das Licht; seine Variante, die dunkle Variante seines Witzes, den er nie verlor, war untergründig; sie durchdrang sogar seinen Zorn. Nie endete seine Philippika ohne ein versöhnliches Apercu oder einen rabenschwarzen Witz.

Das war sein Schutz. Zuletzt, an seinem letzten Abend soll er noch über die Radfahrer hergezogen sein. Das ist so „typisch Stephan", dass er wirklich aus dem vollen Leben gerissen wurde. Er liebte es, über die Dinge herzuziehen, weil er sah und wusste, weil er die Dinge erkannte und durchschaute. Ein Seher zu sein, ist nicht immer einfach (Die Radfahrer sind unwichtig; sein Zorn über sie amüsierte ihn selbst im Tiefsten seines Wesens; das musste man nur begreifen).

Es gab aber andere Dinge, ernsthaftere, über die er sich Sorgen machte, deren negative Entwicklung er fürchtete, sah er ihre Entwicklung doch voraus. Trotz seines Wissens (bei Golo Mann, nebenbei bemerkt, heißt es in einem seiner Werke nicht umsonst „Wissen +Trauer": eine ziemlich ernüchternde Gleichsetzung, wenn „Wissen" gleich „Trauer" ist) trotz seiner ständigen Analysebereitschaft blieb er immer ein Macher des Positiven; er liebte die Menschen, auch wenn er zur Verachtung fähig war.

Aber eines konnte er nicht; er konnte sich nicht in adäquater Weise zur Wehr setzen; ihm, dem erfolgreichen, kreativen Boulevardjournalisten, der er auch einmal war, fehlten die eisernen Ellenbogen. Sein Sinn für Gerechtigkeit brachte ihn fast um. So sehr litt er unter Ungerechtigkeiten, schon Ungereimtheiten waren ihm zuwider. Er hatte sie zahllos auf Lager. Ein Michael Kohlhaas war er dennoch nicht. Dessen Maßlosigkeit und Egomanie hatte eben nichts mit seinem Weltbild zu tun. Stephan war ein durch und durch gutartiger Mensch: großzügig, heiter, aktiv, visionär und gastfreundlich in einer fast schon archaisch anmutenden Urform.

Immer unter Dampf. Was er nie begriff, wenn seine sprühenden Ideen abprallten (in einer Stadt wie Berlin) an ihrer Kälte, Härte, Gleichgültigkeit, ja Unbarmherzigkeit. Abprallen vor allem aber an Menschen und Schaumschlägern, in einem Fall speziell bayerisch-baronesker Prägung. Bayern selbst mochte er übrigens.

Richtig zur Wehr setzen konnte er sich nicht. Aber es war nicht nur der Schaumschläger aus Bayern, auf den er (wie eine Weile wir alle) gesetzt hatte; es ist vor allem der Undank Berlins gewesen, den er nicht wirklich verwinden konnte.

Ich zähle nur zwei Vorhaben auf: die Weihnachtsbeleuchtung Unter den Linden, die dem Boulevard eine romantische Christmas-Kulisse von Weltklasseniveau verlieh, und die klotzigen Berliner Bären, deren Ziehvater er ja war. Auch das ein Riesen-Erfolg, auf den Staatssekretär Michael Butz (Berlins früherer Senatssprecher) zum Tod von Stephan hinwies.

Ansonsten kein Wort des Dankes von der Stadt. Reichen musste die anonyme Begeisterung der Menschen, reichen mussten die Motive, gespeichert auf Millionen Digicams und Handys. Und das reichte ihm. Stephan war eher erfolgsversessen als eitel.

 

Internationale Begegnungen am Brandenburger Tor: Stephan Vogel (links) und seine Frau Jutta Vogel (Autorin „Die Odyssee der Kinder" u.a.) engagierten sich auch für die Bildende Kunst und Benefiz-Konzerte. Das Foto zeigt in der Mitte eine israelische Künstlerin, der die Vernissage in einer Institution im Regierungsviertel am Paris Platz gewidmet war.

Foto: bpb-press

 

 

Resignation war ihm, dem Kämpfer, nicht fremd. Und dann ist es beinahe folgerichtig, dass er, um nur ein Beispiel zu nennen, auch ein Kämpfer für Israel war, womit man sich fast nur blutige Nasen holten konnte. Das hat Stephan nie abgehalten, beinahe unwichtig, dass zu erwähnen.

Das Jüdische: Mir hat er damit einmal Giora Feidman quasi als Geschenk präsentiert. Giora Feidman ist denn auch der einzige Mann geblieben, dem ich jemals eine Rose, noch dazu in Rot, überreicht habe. Und das voller Überzeugung! Damals, da oben in Vogels Nest in der Winsstraße 62, als wir alle nichts ahnten, geschweige denn voraussahen. Stephan allerdings sprach den Tod häufiger an.

Wenn Kämpfer resignieren oder Züge davon zeigen, tut das weh. Es tat weh, wenn man das erlebte. Anderseits: ist Resignation nicht die Veredelung der Enttäuschung ins Menschliche? Wenn das so ist, dann ist es für aktive, kluge, demütige Menschen wie ihn die würdige Form, Unweigerliches anzunehmen, ohne es letzten Endes zu akzeptieren. Auf die Form kommt es an. Die unbezähmbare Klarheit im Denken blieb ihm sowieso. Vormachen ließ er sich nichts.

Auch wenn er sauer werden konnte über viele Verläufe der Politik, die er gern auseinander nahm, er blieb immer der „Ecce homo-Typ". Von Franz Josef Strauss sagte seine Frau einmal, er, „der Franz", habe nie jemanden hängen lassen. Ähnliches gilt deckungsgleich auch für „den Stephan".

Und deshalb gibt es noch einen Spruch, an dem ich hänge. Dieser Spruch lautet sinngemäß, Und ich sag`s vor allem Dir, Pia. Es liegt mir am Herzen: „Es ist doch erst dann jemand gestorben, wenn der letzte, der sich seiner erinnert, nicht mehr lebt."

Dann, liebe Freunde, ist Stephan ziemlich unsterblich, ist er doch unter uns in jedem Gespräch auch jetzt in diesem Moment, wahrscheinlich würde er sich leicht lächelnd abwenden; er hatte ja dieses Lächeln. Er wird auch in Zukunft unter uns sein, bei vielen Überlegungen, wie man etwas machen muss, entscheiden, ändern, sich geben, welche Taktik die vernünftige wäre, die durchschlagende usw...

UND dann bei den Anekdoten: Da werden wir uns an ihn erinnern. Er hat sie uns zahllos serviert. Keine schlechte Bilanz, die du uns Stephan, hinterlassen hast, wenn wir eines Tages darüber wieder lachen können. Keine schlechte Bilanz, wenn ich auch an Deine wunderbare Familie denke, in die ich Daniel (Bergold) ausdrücklich mit einbeziehen möchte.

Stephan, Du bist viel zu früh gegangen, einerseits. Anderseits bist Du wiederum auch noch da: so vielseitig, vielschichtig, wie Du gewesen bist, vielschichtig mit seinen Ringen wie der Baum werden möge, unter dem Du Deine letzte Ruhe gefunden hast.

 

Es ist schön, meine Damen und Herren, Stephan gekannt zu haben. Und zum Kotzen, dass er weg ist. Ihn nicht zu vergessen, ist Ehre, Aufgabe und Lebensfreude zugleich!

Auch sie, die Lebensfreude, hat er uns, wie ein Menü serviert. Nicht nur einmal...""

 

 

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PROMETHEUS, Internet Bulletin for Art, News, Politics and Science, Nr. 173, December 2011