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Deutscher Bundespräsident Horst Köhler tritt zurück

„Mr. Nobody left office"--Bundeskanzlerin Merkel trifft Mitschuld am Desaster

 

Von B. John Zavrel

 

Bundespräsident Horst Köhler in Berlin am 31. Mai 2010 bei der Bekanntgabe seines sofortigen Rücktritts vom Amt. An diesem ungewöhnlichen Tag im Schloss Bellevue dabei war seine Frau Eva Luise. Sie muss nun auf die Privilegien einer „First Lady" und ein Leben im „Präsidentenpalast" verzichten. Sie dürfte wieder selbst den Familienhaushalt führen, wie Millionen „normale deutsche Hausfrauen". Kaum eine von ihnen hatte während der Amtszeit Köhlers Zutritt zu den Veranstaltungen für die „feine Leute" im Schloss Bellevue.

Foto: press-pool

 

Berlin/New York (bpb) Der deutsche Bundespräsident Horst Köhler hat am 31 Mai 2010 überraschend seinen „sofortigen Rücktritt" vom Amt erklärt. Das ist der erste Fall dieser Art in der Bundesrepublik Deutschland. Er begründete seinen Rückzug mit der Kritik von Politikern und Bürger an seinen Äußerungen zum Bundeswehreinsatz in Afghanistan.

Horst Köhler wurde am 22. Februar 1943 in Skierbieszow (Generalgouvernement, Polen) geboren. Er war der neunte der nach Adolf Hitler gewählten Bundespräsidenten. Köhler hatte das Amt des Staatsoberhauptes vom 1. Juli 2004 bis zu seinem Rücktritt inne. In der deutschen Bevölkerung war er leider kaum wahrgenommen worden. Einen Grund fanden Medien heraus, die schrieben: „Er war der blasseste Bundespräsident, den Deutschland je hatte". Offensichtlich wird er auch nach dem Rücktritt kaum vermisst. Ein Diplomat sagte zu der Rücktritt-Nachricht: „Mr. Nobody left his office" („ Herr Niemand hat sein Amt verlassen".

Für den starken Verbündeten USA gilt ein blasser deutscher Präsident völlig unwichtig. Er hat vor allem repräsentative Aufgaben. Politische Entscheidungen liegen stets bei der deutschen Regierung und ihren Koalitionspartnern.

 

Kanzlerin Merkel öffentlich enttäuscht

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich in der Öffentlichkeit über den Rücktritt von Horst Köhler schockiert. Sie konnte Enttäuschung, ja Wut und Empörung darüber, dass sie „ihr Bundespräsident" erst in letzter Minute über diesen politischen Paukenschlag informierte, gut verbergen. Noch während der öffentlichen Kritik aus allen Parteien am Schritt Köhlers über seinen Rücktritt, begann Bundeskanzlerin Merkel die Lage „gesund zu beten". Die Zeit drängte, denn in 30 Tagen musste ein neuer Bundespräsident gewählt werden.

So lobte Merkel die Qualitäten Köhlers, brachte verschiedene Parteimitglieder als mögliche Kandidaten und Kandidatinnen in das Gespräch und setzte schließlich mit dem CDU/CSU-Koalitionspartner FDP einen stattlich aussehenden CDU-Politiker als gemeinsamen Kandidaten durch: den Ministerpräsidenten von Niedersachsen, Christian Wulff.

Ein deutscher Bundespräsident unter Kanzlerin Merkel muss nach Ansicht politischer Beobachter der Regierung „parieren". Der darf auch die Regierungschefin an Intelligenz und Popularität nicht überragen. Auf diese Prinzipien hatte Merkel 2004 gebaut, als Sie den Außenseiter Horst Köhler ihren Parteifreunden einredete. Der politisch unerfahrene Mann aus der Wirtschaft (er war von 2000 bis 2004 geschäftsführender Direktor des Internationalen Währungsfonds) war mit seiner spröden Art bei der Bevölkerung nie als „Bundespräsident angekommen". Seine neuen Mitarbeiter und Berater hatten ebenso wenig eine Ahnung vom „politischen Geschäft" in einem Bundespräsidialamt wie der neue „Boss" selbst.

 

Köhler als „beleidigte Leberwurst"

Bundespräsident Köhler schied aus dem höchsten deutschen Staatsamt als „beleidigte Leberwurst" aus, war von Kritiker zu hören. Er sei dem Amt nicht gewachsen gewesen und sei vor der Verantwortung geflüchtet. Köhler selbst sagte, beim Umgang mit ihm sei zu wenig Respekt vor dem Amt des Bundespräsidenten gezeigt worden. Dem wurde entgegengehalten, dass in einer Demokratie auch der Präsident Kritik ertragen müsse.

Köhler war seit Jahren eine „Witzfigur" für Kabarettisten. Einer der großen Interpreten von Köhler und seiner „Macherin" Angela Merkel ist nach wie der Kabarettist Matthias Richling. Wenn er im TV in die Rolle dieser beiden schlüpft, lacht fast die ganze Nation.

Horst Köhler kann nun machen was er will, er wird der Buhmann bleiben. Die politische Elite zeigt sich von ihm mehr oder weniger „verraten", weil er dem demokratischen System letztlich Schaden zugefügt habe. Das wird ihm schlimmer angekreidet als die begrenzte Fähigkeit eine Rede glaubwürdig und wirkungsvoll überzubringen. In die verbale Verdammung wird Bundeskanzlerin Merkel einbezogen, da sie nach Meinung von Kritikern „für das Desaster mit Köhler" persönlich Mitschuld trage.

 

Mit Merkels jetzigem Kandidaten Christian Wulff tritt im Fall seiner Wahl ein Politiker in das Rampenlicht, dem u.a. folgendes auszeichnet: er wäre der erste deutsche Bundespräsident der geschieden ist. Ein Geschiedener in diesem Amt entspricht nicht den traditionellen Moralbegriffen der Mehrheit der deutschen Bürger. Besorgte Deutsche befürchten, dass der Weg in eine „Bananen-Republik" mit vorzeitig wechselnden Präsidenten führt. Damit würden „italienische Verhältnisse" auch in Deutschland eintreten.

 

 

© PROMETHEUS 156/2010

PROMETHEUS, Internet Bulletin - News, Politics, Art and Science. Nr. 156, June 2010